Insert – never the same color
Kunstverein Harburger Bahnhof
2010
mit Katrin Mayer und Eske Schlüters

Ein Insert im Film ist eine kommentierende Texteinblendung, ein Zwischentitel oder ein einfügender Schnitt. Die von Heiko Karn, Katrin Mayer und Eske Schlüters gemeinsam entwickelte Ausstellung begreift sich als verräumlichter Zwischentext – zwischen dem für das Channel TV-Programm zusammengestellten Fernsehbeiträgen und den Strukturen des Kunstvereins Harburger Bahnhof als Institution an einem Transitort. Vorhandene Elemente, wie der seit Mai 2010 bestehende und seitdem zahlreichen Veränderungen unterworfene Einbau in der Mitte des Saals, wurden in die auf einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den technischen Aspekten des Fernsehens basierende Rauminstallation mit einbezogen. In diesem Fall erhielten die in der vorangegangenen Ausstellung geschlossene Vorder- und Rückfront des Kubus jeweils versetzte Öffnungen, die das Blickfeld in verschiedene Ebenen gliedern und ein Durchqueren des Raums ermöglichen. In den zum Teil parallel gehängten, langen Lochtüll-Bahnen setzt sich die Form des Einbaus, vor allem jedoch das Überlagern von verschiedenen Flächen in die Tiefe des Raumes weiter fort.

Die Ausstellung untersucht das dem Fernsehen innewohnende Moment der Übertragung, den Transfer von Licht von einem Ort zum anderen. Der Ingenieurstudent Paul Nipkow, der als Pionier des Fernsehens gilt, bemerkte 1883 bei der Betrachtung einer flackernden Kerze mit zusammengekniffenen Augen, dass nur noch Strahlen zu sehen waren, die sich in einzelne Punkte auflösten und letztlich wieder ein klar erkennbares, vollständiges Bild ergaben. Diese Erfahrung des Zerlegens und Zusammensetzens lässt sich anhand der lichtdurchlässigen Struktur der Stoffbahnen unmittelbar nachvollziehen. Nipkow entwickelte daraus seinerzeit das so genannte Scanning-Prinzip der zeilenweisen Bildabtastung, indem er zwischen Lichtquelle und abzubildendes Objekt eine Scheibe mit spiralförmig angeordneten Löchern stellte. Auch diese, nach ihm benannte, Nipkowsche Scheibe begegnet uns in der Ausstellung wieder: In der auf die Wand tapezierten schwarz-weißen Bilderserie rechts neben dem Eingang wurden die Übertragungsmöglichkeiten eines anderen technischen Gerätes, des Fotokopierers, dazu genutzt, gewissermaßen in das Innere eines ihrer Löcher hineinzuzoomen. Das Motiv löst sich dabei immer weiter auf, bis es nur noch als Struktur erscheint – auch dies eine Erfahrung des Zerlegens und Zusammensetzens, allerdings hier in der zeitlichen Struktur der seriellen Abfolge.

Die Modalitäten und Schwierigkeiten der Bildübertragung begleiten die Entwicklung des Fernsehens bis heute als durchgängiges Moment. Der Untertitel der Ausstellung »never the same colour« zitiert die ironisierende Abwandlung des NTSC-Kürzels für das amerikanische Fernsehformat, ursprünglich benannt nach den Anfangsbuchstaben des zuständigen National Television Systems Committee. Der Farbraum des NTSC ist genau definiert, ähnlich wie beispielsweise hierzulande die Einigung auf den HKS-Farbfächer zur Qualitätssicherung von Druckerzeugnissen. Auf dem Spektrum des NTSC Farbraums basiert die doppelte Diaprojektion, die zeitlich versetzt zwei Farbverläufe auf die inneren Wände des Einbaus wirft und so der Geschwindigkeit und Informationsflut des Fernsehens ein System aus Reduktion und Verlangsamung entgegensetzt.

Ein Ausgangspunkt in der Entwicklung des Fernsehens ist der alte Menschheitstraum, mit den Augen allein auf Reisen gehen zu können, d.h. ohne selbst an einem bestimmten Ort körperlich anwesend zu sein. Die auf dem Drucker des Kunstvereins produzierte Publikation zur Ausstellung huldigt der medialen Euphorie der Anfangsjahre mit einem bildreichen Zitat von Rudolf Arnheim und evoziert sofort – als habe jemand das Gerät eingeschaltet – die in der Ausstellung selbst abwesenden Fernsehbilder.

Materialien:
Stoffbahnen, Diaprojektoren, DIN-A3 Kopien, DIN-A3 Drucke

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